18 Thermografische Messtechniken
18.1 Einleitung
Eine Infrarotkamera misst die von einem Objekt abgegebene Infrarotstrahlung und bildet sie ab. Da die Infrarotstrahlung eine
Funktion der Oberflächentemperatur eines Objekts ist, kann die Kamera diese Temperatur berechnen und darstellen.
Die von der Kamera gemessene Strahlung hängt jedoch nicht nur von der Temperatur des Objekts, sondern auch vom Emissionsgrad
ab. Auch aus der Umgebung des Objekts stammt Strahlung, die im Objekt reflektiert wird. Die Strahlung des Objekts und die
reflektierte Strahlung werden auch von der Absorption der Atmosphäre beeinflusst.
Um Temperaturen messen zu können, müssen die Auswirkungen verschiedener Strahlungsquellen kompensiert werden. Dies wird von
der Kamera automatisch durchgeführt. Der Kamera müssen jedoch die folgenden Objektparameter übermittelt werden:
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Der Emissionsgrad des Objekts
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Die reflektierte scheinbare Temperatur
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Der Abstand zwischen Objekt und Kamera
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Die relative Luftfeuchtigkeit
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Die Atmosphärentemperatur
18.2 Emissionsgrad
Der Objektparameter, bei dem eine richtige Einstellung am wichtigsten ist, ist der Emissionsgrad. Dieser Wert gibt an, wie
viel Strahlung das Objekt im Vergleich zu einem völlig schwarzen Objekt abgibt.
In der Regel gelten für Objektwerkstoffe und Oberflächenbeschichtungen Emissionsgrade von etwa 0,1 bis 0,95. Der Emissionsgrad
einer hochpolierten Oberfläche (Spiegel) liegt unter 0,1, während eine oxidierte oder gestrichene Oberfläche einen höheren
Emissionsgrad aufweist. Ölfarbe hat unabhängig von der Farbe im sichtbaren Spektrum im Infrarotbereich einen Emissionsgrad
von über 0,9. Der Emissionsgrad der menschlichen Haut liegt zwischen 0,97 und 0,98.
Nicht oxidierte Metalle stellen einen Extremfall für perfekte Opazität und hohe Reflexivität dar, die sich mit der Wellenlänge
kaum verändert. Daher ist der Emissionsgrad von Metallen niedrig und steigt lediglich mit der Temperatur an. Bei Nichtmetallen
ist der Emissionsgrad im Allgemeinen höher und nimmt mit sinkender Temperatur ab.
18.2.1 Ermitteln des Emissionsgrades eines Objekts
18.2.1.1 Schritt 1: Bestimmen der reflektierten Strahlungstemperatur
Die reflektierte scheinbare Temperatur können Sie mit einer der folgenden Methoden bestimmen:
18.2.1.1.1 Methode 1: Direkte Methode
Gehen Sie folgendermaßen vor:
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Suchen Sie nach möglichen Reflektionsquellen und beachten Sie hierbei Folgendes: Einfallswinkel = Reflektionswinkel (a = b).
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Wenn es sich bei der Reflektionsquelle um einen Punkt handelt, verdecken Sie sie mit einem Stück Karton.
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Messen Sie die Intensität der von der Reflektionsquelle ausgehenden Strahlung (= scheinbare Temperatur) unter Verwendung der
folgenden Einstellungen:
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Emissionsgrad: 1,0
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Dobj
: 0
Sie können die Intensität der Strahlung mit einer der folgenden beiden Methoden ermitteln:
Die reflektierte scheinbare Temperatur kann nicht mit einem Thermoelement gemessen werden, da ein Thermoelement die Temperatur misst, die scheinbare Temperatur jedoch eine Strahlungsintensität ist.
18.2.1.1.2 Methode 2: Reflektormethode
Gehen Sie folgendermaßen vor:
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Knüllen Sie ein großes Stück Aluminiumfolie zusammen.
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Streichen Sie die Aluminiumfolie wieder glatt und befestigen Sie sie an einem Stück Karton mit derselben Größe.
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Platzieren Sie den Karton vor dem Objekt, an dem Sie die Messung durchführen möchten. Die Seite, an der die Aluminiumfolie
befestigt ist, muss zur Kamera zeigen.
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Stellen Sie als Emissionsgrad 1,0 ein.
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Messen Sie die scheinbare Temperatur der Aluminiumfolie und notieren Sie sie. Die Folie ist ein perfekter Reflektor, ihre
scheinbare Temperatur entspricht der reflektierten scheinbaren Temperatur der Umgebung.
18.2.1.2 Schritt 2: Ermitteln des Emissionsgrades
Gehen Sie folgendermaßen vor:
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Wählen Sie die Stelle aus, an der das Messobjekt platziert werden soll.
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Ermitteln Sie die reflektierte Strahlungstemperatur und stellen Sie sie ein. Gehen Sie hierbei wie oben angegeben vor.
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Kleben Sie ein Stück Isolierband mit bekanntem, hohem Emissionsgrad auf das Objekt.
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Erwärmen Sie das Objekt auf mindestens 20 K über Raumtemperatur. Die Erwärmung muss gleichmäßig erfolgen.
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Stellen Sie den Fokus ein, verwenden Sie die automatische Abgleichfunktion der Kamera und erzeugen Sie ein Standbild.
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Stellen Sie
Level
und
Span
ein, um optimale Bildhelligkeit und optimalen Kontrast zu erzielen.
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Stellen Sie den Emissionsgrad des Isolierbandes ein (in der Regel 0,97).
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Messen Sie die Temperatur des Bandes mit Hilfe einer der folgenden Messfunktionen:
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Isotherme
(Hiermit können Sie feststellen, wie hoch die Temperatur ist und wie gleichmäßig das Messobjekt erwärmt wurde)
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Punkt
(einfach)
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Rechteck
Durchschn.
(besonders geeignet für Oberflächen mit variierendem Emissionsgrad).
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Notieren Sie die Temperatur.
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Verschieben Sie Ihre Messfunktion zur Objektoberfläche.
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Ändern Sie die Emissionsgradeinstellung, bis Sie dieselbe Temperatur wie bei Ihrer letzten Messung ablesen.
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Notieren Sie den Emissionsgrad.
Hinweis
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Vermeiden Sie eine erzwungene Konvektion.
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Suchen Sie nach einer Umgebung mit stabiler Temperatur, in der keine punktförmigen Reflektionen entstehen können.
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Verwenden Sie hochwertiges, nicht transparentes Band mit einem bekannten, hohen Emissionsgrad.
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Bei dieser Methode wird davon ausgegangen, dass die Temperatur des Bandes und die der Objektoberfläche gleich sind. Ist dies
nicht der Fall, liefert Ihre Emissionsgradmessung falsche Ergebnisse.
18.3 Reflektierte scheinbare Temperatur
Dieser Parameter dient als Ausgleich für die Strahlung, die im Objekt reflektiert wird. Wenn der Emissionsgrad niedrig ist
und die Objekttemperatur sich relativ stark von der reflektierten Temperatur unterscheidet, muss die reflektierte scheinbare
Temperatur unbedingt korrekt eingestellt und kompensiert werden.
18.4 Abstand
Der Abstand ist die Entfernung zwischen dem Objekt und der Vorderseite des Kameraobjektivs. Dieser Parameter dient zur Kompensation
folgender Gegebenheiten:
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Die vom Messobjekt abgegebene Strahlung wird von der Atmosphäre zwischen Objekt und Kamera absorbiert.
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Die Atmosphärenstrahlung an sich wird von der Kamera erkannt.
18.5 Relative Luftfeuchtigkeit
Die Kamera kann auch die Tatsache kompensieren, dass die Übertragung zudem von der relativen Luftfeuchtigkeit der Atmosphäre
abhängt. Dazu stellen Sie die relative Luftfeuchtigkeit auf den richtigen Wert ein. Für kurze Abstände und normale Luftfeuchtigkeit
können Sie für die relative Luftfeuchtigkeit normalerweise den Standardwert von 50 % beibehalten.
18.6 Weitere Parameter
Darüber hinaus können Sie mit einigen Kameras und Analyseprogrammen von
FLIR Systems
folgende Parameter kompensieren:
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Atmosphärentemperatur, d. h. die Temperatur der Atmosphäre zwischen Kamera und Messobjekt.
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Temperatur externe Optik, d. h. die Temperatur der vor der Kamera verwendeten externen Objektive und Fenster.
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Transmissionsgrad der externen Optik – d. h.die Durchlässigkeit von externen Objektiven oder Fenstern, die vor der Kamera verwendet werden.